Die Natur entwickelt sich vom Einfachen in Richtung immer größerer Komplexität. Alles ist mit allem verbunden und wirkt sich aufeinander aus.
Diese Kreisläufe, Gleichgewichte und Symbiosen zu erkennen, auszubauen und für sich nutzbar zu machen, war schon immer die Aufgabe der Bauern. Dadurch hat sich eine tiefe Verbindung zu Boden, Pflanzen, Tieren und Heimat aufgebaut, aber auch ein Bekenntnis zur Langsamkeit, da wir alle Folgen einer Intervention vor dem Eingriff abwägen müssen. Der Bauer ist von alters her kein Spezialist, sondern ein Allrounder, weil nur die Kreislaufwirtschaft eine zukunftsfähige Methode der Bodennutzung darstellt. Mit den „Segnungen“ der Industrie wird diese Partnerschaft immer mehr gestört. Das reicht von Verdichtungen über Erosion bis zu Monokulturen, der Verarmung der bodenständigen Architektur und dem Verlust des ganzen Bewusstseins. Wir distanzieren uns von diesem Vorgehen immer weiter und leben einen Zugang, der so weit hinter der Zeit nachhängt, dass er schon wieder vorne ist.
Da wir als Bauern viel im Weingarten sein wollen und wenig im Büro, sind wir vor vielen Jahren aus dem Flächenförderungsprogramm ausgestiegen und haben unseren Betrieb durch einen Willensakt von dem irrwitzigen Wachstumszwang befreit. So können wir uns aufs Wesentliche konzentrieren und dringen immer tiefer ins Mysterium Weingarten ein. Dort, in ihrem natürlichen Habitat, leben unsere Reben als Asketen eine Symbiose mit unzähligen anderen Organismen. Und bringen bei minimalinvasiver Begleitung ausdrucksstarke, eigenständige Trauben aus artgerechter Haltung. Solche Früchte zu herkunftstypischen Weinen werden zu lassen, ist unsere Belohnung.
In uns erwacht begründetes Misstrauen denen gegenüber, die von der Zerstörung profitieren, wenn die einzige propagierte Methode gegen die Zikade der totale, gesetzlich befohlene Insektizideinsatz ist. Die Amerikanische Rebzikade allein ist noch kein Problem, sie wird erst durch die noch einzuführende Goldgelbe Vergilbung gefährlich. Jedenfalls wird diese brutale Methode die Verbreitung des Insektes eher beschleunigen, denn verzögern. In der Natur werden leere Lebensräume immer sofort nachbesetzt, und das selten zum Vorteil.
Daher sind Spezialisten, die den Untergang des Weinbaues an die Wand malen, kritisch zu hinterfragen von den Bauern, die die Verantwortung tragen für die Erhaltung der Lebensgrundlagen, aber auch von Konsumenten, die ein Interesse an einer lebenswerten Zukunft haben.