Tag 3
Pomerol und Saint-Émilion zeigen sich von ihrer stärksten Seite
Christian und Eduard Moueix strahlen über das ganze Gesicht, als sie uns am Mittwoch Morgen begrüßen. Sie wissen, was sie im Keller haben. Nachdem uns Christian Moueix 2018 erklärt hatte, es wäre sein bester Jahrgang, gibt er jetzt zu, dass er 2022 Probleme hat, das begrifflich zu toppen. Für ihn ist es jedenfalls einer seiner drei besten Jahrgänge mit 2018 und 1989. Herausragend Bélair Monange, der Saint-Émilion mit dem grandiosen Terroir zeigt so samtige Tannine, Schmelz, Tiefe, Leichtigkeit und Balance, alles unterlegt mit einer zartschokoladigen Kräuterwürze. Genialer Wein.
Dagegen präsentiert sich Château Trotanoy beinahe verschlossen, aber mit einer hintergründigen Tiefe, die Großes erahnen lässt. Weitere Highlights waren ein aromatischer, präziser Bourgneuf, ein finessenreicher, langlebiger Latour à Pomerol und ein Hosanna, der die frische Himbeerfrucht gebettet auf fein verwobenem Tannin präsentiert. La Fleur-Pétrus allerdings ist der König des Jahrgangs. So unprätentiös aber doch so geschmeidig, zartschokoladig, aber auch sehr floral anmutend, ist er ein Paradebeispiel für die hohe Aromatik in diesem Jahrgang.
Der Saint-Émilion Laroque bringt uns wieder ein bisschen auf den Boden, er bietet aktuell eines der besten Preis-Leistungs-Verhältnisse in Bordeaux und liefert auch 2022 verlässlich ab.
Weiter geht es zu einem der untypischsten Vertreter des Saint-Émilion, in das bescheidene Haus von Francois Mitjaville von Tertre Rotebœuf. Er begrüßt uns herzlich, versucht wiederholt verzweifelt meinen Nachnamen richtig auszusprechen und gibt uns dann in die Hände seiner Söhne, die uns im Keller Fassproben verkosten lassen. Diese werden hier tatsächlich direkt aus dem Fass gezogen. Ultrareife Kirschfrucht, kombiniert mit saftiger Fleischigkeit und tiefer Röstaromatik. Ein gewaltiger Wein. Auch der „kleine“ L’Aurage aus Cote de Castillon erhält 100 % neues Holz, das der reinsortige Merlot mühelos wegsteckt. Definitiv einer der prägnantesten Merlots des Jahrgangs.
Weitere fantastische Saint-Émilions waren: Larcis Ducasse, mit formidabler Explosivität ausgestattet. Pavie Macquin zeigt sich majestätisch mit Grandezza. M. Perse von Château Pavie feiert seinen 25. Jahrgang mit einer schwarzen Etikette. Und er ist frisch und kühl wie selten ein Pavie. Hier brechen moderne Zeiten an!
Weiter ging es mit einem packenden Ausone. Auf Château Angélus berichtet man, dass die Cabernet-Franc-Trauben in diesem Jahr so genial waren, dass man sie hervorheben muss, als Gamechanger des Jahrgangs, und in der Tat sind die Weine mit höherem Cabernet Franc Anteil noch delikater, frischer und verführerischer. Angélus selbst gelang ein Wein der mit einer gewissen Leichtfüssigkeit betörte.
Canon La Gaffelière beeindruckte mit ausgezeichneter Länge und Dichte.
Auf Cheval Blanc konnte man mit 46 % Carbernet-Franc-Anteil Ähnliches beobachten. Präzise Tannine, ein Anflug floraler Frische und dieses seidige, verführerische Mundgefühl, das hier besonders fein ausfällt.