Die friulanischen Weinbaugebiete
Kommt man von Tarvis ins Friaul und lässt das enge Kanaltal hinter sich, überquert man dabei die weite Geröllfläche des Tagliamento, einem der letzten Wildflüsse Europas. Sein hellblaues Wasser bahnt sich den Weg durch weiße Kieselsteine, die er aus den ehemaligen Gletschergebieten ins Tal schwemmt.
Diese Kiesel bilden zusammen mit Sand und Geröll den Untergrund für die Weingärten der sieben DOC-Gebiete des Friaul. An sie erinnert auch der Name des weitläufigen Herkunftsgebiets Grave del Friuli (vom französischen „Graviers“). 1978 gründete Pietro Pittaro hier sein Weingut, das für den klassischen Stil der Region steht: frische, leichte Weißweine, vor allem Pinot Grigio und Friulano, mit moderatem Alkohol, gutem Trinkfluss und dem besten Preis- Leistungs-Verhältnis Friauls. Dem robusten Refosco ist Pietros Sohn Piero verfallen, ein Rotwein mit Ecken und Kanten, der ideal zu den schnörkellosen Spezialitäten der Region passt.
Die Colli Orientali umfassen 2.500 Hektar Hügelland, die durch die julischen Alpen vor harten Winden geschützt werden. Livio Felluga keltert hier seinen Terre Alte Rosazzo DOCG von gepachteten Weingärten, eine Cuvée aus Friulano, Sauvignon Blanc und Pinot Bianco mit faszinierendem Aromenfeuerwerk und beeindruckender Langlebigkeit. In der Nähe der Abtei von Rosazzo macht Adriano Gigante herrlich ausdrucksvolle und unverwechselbare Weine. Das Weingut hat zudem schöne Zimmer und sogar ein Spa. 1984 startete das Winzerpaar Silvana Forte und Flavio Basilicata in Prepotto das kleine Natural- Garagenweingut Le Due Terre. Tochter Caro mischt inzwischen auch im paradiesischen Garten mit, in dem nur minimalinvasiv eingegriffen wird. Die Wildheit und das Unberührte erkennt man in den puristischen, vielschichtigen Weinen wieder. Indes bewirtschaften Serena Palazzolo und ihre drei Söhne gleich neben Udine 6,5 Hektar Rebfläche, agieren aber auch als Négociants unter dem Label Nec-Otium. Hier finden sich ein Pinot Grigio, wie er trinkfreudiger nicht sein könnte, und ein hochwertiger Cabernet Franc, der die Frische der Colli Orientali widerspiegelt.
Das südlichere Collio unterliegt etwas mehr dem maritimen Einfluss der Adria und umfasst 1.400 Hektar rund um die Orte Ruttars, Cormòns, Capriva und Oslavia, wo Joško Gravner mit seinen stark Barrique-betonten Weinen in den Neunzigern reüssierte. Nach einer Georgienreise entledigte er sich aller Fässer und stellte komplett auf Amphorenausbau um. Heute gelten seine Orange- Weine als die tiefgründigsten am Markt. Auch Silvio Jermann revolutionierte die friulanische Weinlandschaft, indem er seine Weine auf sämtliche Weinkarten der Welt brachte. Berühmt sind sein Vintage Tunina, sein Dreams-Chardonnay und sein Pinot Grigio. Livio Felluga, dritter Pionier des Friaul, führte das Weingut in fünfter Generation, bis er kürzlich im Alter von 102 Jahren verstarb. Auf stolzen, hügeligen 135 Hektar wächst auch sein Pinot Grigio, der mit dem Blumenetikett emblematisch für das Friaul steht. Heute haben die Kinder Maurizio, Elda, Andrea und Filippo die Zügel in der Hand und erzeugen klassische, niveauvolle Friaulweine.
Carso (Karst) nennt sich die unwirtliche Hochebene hinter dem Golf von Triest, die seit 1985 auch eine DOC-Klassifizierung besitzt. Das Gebiet aus felsigem Kalk ist durch die exponierte Lage schutzlos dem eisigen Borawind ausgesetzt. Die kräftige, goldfarbene Vitovska, die ihm trotzt, erinnert an unseren Roten Veltliner, während der rote Terrano mit seiner straffen Säure fast so kernig ist wie Schilcher. Edi Kante, ein Winzer wie ein Fels in der Brandung, schafft es, mit dem extremen Terrain zurechtzukommen. Er ließ sein Weingut drei Stockwerke tief ins Gestein bohren und bereitet beharrlich Weine, die Wind und Wetter, Moden und Trends trotzen.
Das Friaul ist dank seiner Diversität bei Rebsorten und Winzerpersönlichkeiten eine von Europas klassischen Weinregionen, dessen Kreszenzen von der Geschichte, dem Terroir und dem besonderen Charakter der Landschaft erzählen.