Wie hast du's mit der Natur
Die Gretchenfrage des Jahrhunderts gilt für alle
An einem herrlichen Wachauer Morgen vor ein paar Jahren war ich gerade von meinem Quartier in Unterloiben zum Laufen aufgebrochen, als am Fuß des Loibenbergs ein Winzer mit seinem Gelenkstraktor anhielt, um mich zu begrüßen. Es war mein alter Freund Peter Malberg, der mir im Verlauf des kurzen Gesprächs seine Sorgen angesichts des Aufwands, den der Weinbau in jeder Form den Winzern und der Natur abverlangt, schilderte. Keine Frage, Weinbau ist eine Intensivkultur, und die zahlreichen notwendigen Bewirtschaftungsmaßnahmen schlagen sich in der Ökobilanz nieder. „Dabei bin ich eh bio und arbeite so schonend wie möglich. Aber es ist immer noch ein Wahnsinn!“.
Peter hatte angesprochen, was sich vielleicht insgeheim viele Winzer denken, jedenfalls solche, die sich ihres Tuns bewusst sind. Egal ob bio oder konventionell: Jeder ist gefordert, die nach seiner Meinung optimale Balance zwischen Aufwand und Nutzen zu finden und dabei die Umwelt so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Hier kommt ein viel strapazierter und oft auch missbrauchter Begriff ins Spiel: „Nachhaltigkeit“ heißt das Zauberwort, das weltweit in allen Sprachen sowohl in der Politik als auch im Marketing schonungslos und flächendeckend eingesetzt wird. Dabei ist oft nicht mehr erkennbar, ob die Absicht ehrliche Ressourcenschonung im Sinne einer Generationengerechtigkeit, oder nur bloße Reaktion auf eine diesbezüglich höhere Sensibilität bei den Kunden ist.
Eines der ersten Nachhaltigkeitsprogramme im Weinbau startete Neuseeland im Jahr 1995 mit offiziellen Zertifizierungen seit 2002. Heute sind 96 Prozent der Weingartenfläche nach SWNZ (Sustainable Winegrowing New Zealand) zertifiziert, aber nur 10 Prozent davon werden biologisch bewirtschaftet. Angesichts solcher Zahlen können einem schon Zweifel kommen, aber es ist auch wichtig, die Begriffe „biologisch“ und „nachhaltig“ klar auseinanderzuhalten. Auch in Österreich gibt es mit „Nachhaltig Austria“ ein im internationalen Vergleich sehr ambitioniertes Zertifizierungsprogramm, das die Verwendung des Begriffes „Nachhaltigkeit“ im Weinbau regelt. Ich halte dieses Programm insgesamt für sehr gut aufgesetzt, auch wenn immer wieder einzelne Aspekte davon, vor allem aus der Perspektive des Biosektors, kritisiert werden.
Der Hauptvorwurf lautet, dass man eine Zertifizierung als „nachhaltig“ bekommen kann, auch wenn man im Weingarten nicht biologisch arbeitet, also Herbizide, systemische Pflanzenschutzmittel und chemische oder leicht lösliche Dünger einsetzen darf. Wer deshalb das Programm „Nachhaltig Austria“ als Augenauswischerei oder „Greenwashing“ brandmarkt, macht zwei Fehler: Erstens wird damit unterstellt, dass sich nachhaltig zertifizierte Betriebe ein „Bio-Mäntelchen“ umhängen wollen, und zweitens schwingt bei solcher Polemik gleicht das Dogma mit, wonach das B in bio zwangläufig für „besser“ steht.
Dabei macht man es sich zu einfach. Die Frage der Ökobilanz im Weinbau ist viel komplizierter, als die Simplifikationen, die man tagtäglich in der veröffentlichten Meinung hört und liest. Dahinter stehen natürlich auch wirtschaftliche Interessen. Die biologische Bewirtschaftung von Weingärten ist eine mühevolle, kostenintensive Sache, und daher darf niemand den Anschein erwecken, er arbeite biologisch, wenn er diesen Aufwand nicht auf sich nimmt. Hier muss auch für den Kunden absolute Klarheit herrschen, denn ansonsten kommt es zu einer Wettbewerbsverzerrung. Deshalb nochmals in aller Deutlichkeit: Zertifiziert nachhaltig bedeutet nicht biologisch. Punktum. Genauso falsch ist aber auch die Meinung, dass eine bioorganische oder biodynamische Bewirtschaftung automatisch nachhaltiger ist, als eine wohlüberlegt konventionelle. Nachhaltigkeit umfasst ja nicht nur den Bereich der Weingartenarbeit, sondern auch viele andere Bereiche von der Traubenernte über den Ausbau der Weine bis zur Flaschenfüllung. Sparsamer Umgang mit Wasser, Energie, chemischen Düngemitteln und effizienter Einsatz von Maschinen werden unter anderem ebenso positiv bewertet wie zum Beispiel faire Arbeitsbedingungen, oder nachhaltig wirtschaftliches Handeln. Daher habe ich besonderen Respekt vor Betrieben, die sowohl bio- als auch nachhaltig zertifiziert sind. In unserem Sortiment sind das derzeit Bründlmayer, Erwin Sabathi, Markus Huber, Jurtschitsch, Lackner Tinnacher, Loimer, Sattlerhof, Stadlmann, Tement und Winkler-Hermaden.
Die Gretchenfrage „Wie hast du’s mit der Natur“ muss also jeder für sich beantworten, egal ob Produzent oder Konsument. Ich habe mir jetzt ein Klimaticket gekauft, und fahre erstmals statt mit dem Auto per Bahn in den Kurzurlaub. Das ist mein Beitrag. Ich bin ja kein Winzer.
Ihr Willi Klinger