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Piemont abseits von Barolo und Trüffeln

Piemont abseits von Barolo und Trüffeln

Klingers spitze Zunge

Willi Klingers spitze Zunge grau breit

Alle Jahre wieder bricht in genussaffinen Kreisen das starke Verlangen nach einer Weinreise ins Piemont aus. Dieser Trend nimmt seit der Erlangung des UNESCO-Welterbe-Status für die Weinregionen Langhe-Roero und Monferrato im Jahr 2014 langsam aber sicher epidemische Züge an. Als Folge davon ist das Angebot an Hotels, Agriturismi, Restaurants, Trattorien und Weinbars regelrecht explodiert. Obwohl es die besten weißen Trüffeln erst ab November gibt, fallen schon ab Mitte September immer größere Scharen wie die Heuschrecken in Alba ein und „fressen“ dort im Umkreis von 20 Kilometern alles kurz und klein. Bei Herrn und Frau Österreicher ist gerade die Zeit Ende Oktober höchst beliebt, weil sich bekanntlich durch den Einsatz der Feiertags-Joker Staatsfeiertag (26. Oktober) und Allerheiligen (1. November) Urlaubstage sparen lassen. Am Allerseelentag staut man sich dann in von Trüffelgeruch umwehten Autos und drei Kilo schwerer heimwärts, im Kofferraum ein paar Kartons sündteuer bezahlter Rotweine, die das Wort Barolo oder Barbaresco auf den Etiketten nicht immer verdienen.

In meinen sechs Jahren als Exportmanager bei Angelo Gaja lernte ich Piemont in allen vier Jahreszeiten lieben. Seither schmeckt mir eine Frittata oder ein Risotto mit wilden Hopfensprossen („bruscandoli“) im Frühling oder ein Salat von Kaiserlingen („ovuli“) im Sommer mindestens genauso gut wie die obligaten Tajarin mit Trüffeln im November.

Der Weinanbau der Region Piemont entspricht mit rund 43.000 ha etwa der gesamten Rebfläche Österreichs und ist damit mehr als viermal größer, als das Gebiet Langhe mit seinen Kernzonen Barolo, Barbaresco und Roero. Gute Weine und herrliches Essen gibt es natürlich auch im nördlichen Piemont, zum Beispiel Ghemme, Gattinara und vor allem im Monferrat, wo in Cartosio im hintersten Winkel des Gebiets meine absolute Lieblingstrattoria zu finden ist („Cacciatori“!). Muss man also unbedingt rund um Allerheiligen hinunterfahren, sind das Monferrat und die Alta Langa ein gutes Refugium abseits des Trubels der Trüffelmesse in Alba.

In Piemont dreht sich natürlich alles um den Wein. Es muss aber nicht immer gleich Barolo oder Barbaresco sein. Mit ihrer hohen Säure und dem fordernden Tannin sind diese Weine gewöhnungsbedürftig wie ein Super-G-Rennski für einen Durchschnittsfahrer. Da heißt es hart trainieren und sich langsam heranarbeiten. Das ist auch deswegen gar nicht so leicht, weil auf den Weinkarten der Restaurants im Gebiet fast ausschließlich die jüngsten Jahrgänge stehen. Es ist mir schleierhaft, dass man gerade in der Region selbst so wenig Weinkultur an den Tag legt! Und wenn man doch einen reifen Jahrgang findet, ist die Gefahr groß, dass er ausgezehrt schmeckt, weil die Flasche stehend und/oder warm gelagert wurde.

Traditionell trinken die Einheimischen („langaroli“) – außer bei feierlichen Anlässen, wo es dann auch einmal ein Barolo zum Schmorbraten („brasato“) oder ein Barbaresco zum Perlhuhn („faraona“) sein darf – in erster Linie Dolcetto. Der passt sowohl als Aperitif zur Salami als auch als Hauswein zum ganzen Menü. Der beste Dolcetto kommt wegen seiner zarten Feinheit und Frische aus dem in 500 Metern Seehöhe gelegenen Ort Diano d’Alba, der nur einen ganz kleinen Zipfel der Barolo-Anbauzone besitzt, dafür aber für seinen Dolcetto im Jahr 2010 eine eigene DOCG bekommen hat. Barbera hingegen ist das beste Beispiel dafür, wie eine hervorragende Sorte durch Fehlentwicklungen in Richtung billiger Massenproduktion in Misskredit kommen kann. Die Katastrophe 1986 lief fast zeitgleich und nach ganz ähnlichem Muster wie im Jahr zuvor bei uns in Österreich ab, nur dass bei dem tödlichen Weinskandal in Italien 21 Menschen starben. Schnell wuchs bei unseren kreativen Nachbarn Gras über die üble Sache, während wir in Österreich im politischen Hick-Hack den Glykolskandal in die ganze Welt hinausposaunten, als wäre gepanschter Wein unser wichtigstes Exportprodukt. Letztlich waren die langfristigen Konsequenzen aus der Krise auch in Piemont erfreulich. Den skrupellosen Händlern im Billiggeschäft wurde das Handwerk gelegt, und die Barbera erfreut sich heute besonders in der Barbera d’Asti-Zone wieder großer Beliebtheit – der großartigen Arbeit von Pionieren vom Schlag eines Giacomo Bologna sei Dank. Mit der Einführung der DOCG Nizza rund um den Hauptort Nizza Monferrato im Jahr 2019 entstand ein neues Epizentrum hochwertiger Barberaweine. Der Pionier der Appellation Gianni Bertolino vom Weingut Olim Bauda gewann kürzlich sogar mit seiner Einstiegs-Barbera „La Villa“ die begehrten „Tre Bicchieri“ („Drei Gläser“) des Weinführers Gambero Rosso.

Ein typisches piemontesisches Menü bietet immer mindestens drei Antipasti, ein Primo, ein Secondo sowie Käse oder Dessert. Traditionell endet es mit einem süßen Highlight, dem explosiv-fruchtigen Moscato d’Asti DOCG vom Moscato Bianco (Gelben Muskateller) mit nur fünf Volumsprozent Alkohol. Romano Dogliotti ist der Pionier dieser piemontesischen Spezialität. Er macht auch einen grandiosen, etwas kräftigeren Asti DOCG (La Selvatica), der so gar nichts mit dem billig verramschten Asti Spumante aus dem Supermarkt zu tun hat.

Kaum jemand denkt an trockenen Weißwein, wenn von Piemont die Rede ist, obwohl Angelo Gaja bereits seit den Achtzigerjahren mit dem Chardonnay Gaia & Rey die Benchmark für ganz Italien setzt. Aber es gibt auch zwei sympathisch bodenständige weiße Rebsorten: Cortese für den Gavi aus dem südwestlichsten Zipfel Piemonts und Arneis aus dem Roero, den weiland der legendäre Bruno Giacosa populär gemacht hat.

Es ist also an der Zeit, das Piemont einmal trüffelfrei im Frühling zu erkunden. Darauf kann man sich mit ganz exzellenten Weinen zu erschwinglichen Preisen daheim vorbereiten.

Ihr Willi Klinger

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von Willi Klinger