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„Denominazione di origine inventata“, zu Deutsch „die erfundene Herkunftsbezeichnung“, betitelte der angriffslustige Alberto Grandi, ein marxistischer Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Parma, sein 2018 erschienenes Buch über italienische Spezialitäten mit geschützter Ursprungsbezeichnung. Seither gehen in Italien die Wogen hoch im Streit um den Professor, der die Mythen der italienischen Kulinarik zerstört und von nicht wenigen als Nestbeschmutzer gebrandmarkt wird.
Dabei erfährt man von ihm, wie bei der noblen Abstammung von Rezepturen und Namen, deren Geschichte angeblich bis zu den Römern oder gar den Etruskern zurückreicht, marketingtechnisch geschickt geflunkert wird. Meist sind die Traditionsrezepte der italienischen Regionalküchen auch nicht viel älter als die klassischen Weine, die selten mehr als 150 Jahre existieren, jedenfalls in der Form, wie wir sie heute kennen. Die Quintessenz von Grandis spöttisch ausgebreiteten, aber historisch stichhaltigen Aufdeckungen ist jedoch viel nüchterner, als die ganze Aufregung vermuten lässt. Sie lautet: Erfolgreiche herkunftstypische Produkte entstehen nicht im Lauf von Jahrhunderten von selbst, sondern sind das Werk von kreativen Menschen, die ihr Handwerk verstehen und in lokalen Gemeinschaften einen Formwillen durchsetzen. Jedenfalls aber sind sie Definitionssache und somit zwangläufig einem Wandel im Lauf der Zeit unterworfen.
Genauso sieht es auch die EU, die für Produkte, die mit geschützten Ursprungs- bezeichnungen vermarktet werden, genaue, aber immerhin modifizierbare Spezifikationen verlangt, damit das, was da in seiner Typizität auf die Herkunft zurückgeführt wird, auch für die Kundschaft überprüfbar ist. Außerdem besagt das europäische Regelwerk, dass diese Kriterien sich im Geschmack niederschlagen sollen und dass diese Eigenschaften auch durch organoleptische Prüfung, also Verkostungen durch geschulte Organe, bestätigt werden müssen.
Das schreibt sich leicht hin, ist aber in der Praxis extrem schwierig. In Österreich muss zum Beispiel jeder Qualitätswein nicht nur chemisch analysiert werden, sondern auch noch eine „Prüfnummernverkostung“ bestehen. Erst dann bekommt er die Prüfnummer und die rot-weiß-rote Banderole auf der Kapsel. Bis zu 35.000 Proben müssen pro Jahr von den Bundesämtern für Weinbau in Klosterneuburg oder Eisenstadt mit den Außenstellen in Krems, Retz, Poysdorf und Silberberg bewältigt werden. Eine schier aussichtslose Aufgabe: Wo sollen so viele geschulte Experten an den vielen Kosttagen verfügbar sein? In der ersten Zeit nach dem Weinskandal gab es wenig Kritik an der Leistung der Verkoster, denn die Weinfehler, die auszuscheiden waren, lagen klar auf der Hand: Ein Böckser war ein Böckser, ein Essigstich ein Essigstich und eine Trübung eine Trübung. Damit konnte man Leute mit amtlicher Kosterprüfung nicht in Verlegenheit bringen. Trockene Weine hatten optisch klar, im Duft frisch und reintönig und im Geschmack angenehm zu sein. Überhaupt dachte man, dass mit moderner Kellertechnik, wie Stahltanks mit temperaturgesteuerter Gärführung unter Einsatz selektionierter Zuchthefen, jeder Weißwein sauber, blitzblank und fruchtig schmecken sollte und Rotweine durch neuartige Verfahren so gebaut werden könnten, dass sie rund, mit süßer Frucht und tanninmäßig weichgespült dem modernen Geschmack entsprächen.
Womit man nicht gerechnet hatte, war, dass allmählich eine neue Generation umweltbewusster Winzer:innen nicht nur im Weingarten auf biologische Bewirtschaftung setzte, sondern auch im Keller archaische Weinbereitungsmethoden wiederentdeckte, sodass sich das Geschmacksbild von konventionellen und alternativen Weinen diametral auseinanderentwickelte. Am Anfang war das noch kein Problem. Die „wilden“ Weine bekamen keine Prüfnummer und suchten sich ihren Markt ohne den Segen der Gralshüter. Ihre Hersteller:innen waren überzeugt, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte stün- den und dass scheinbar alles, was keinen Schwefel, aber jede Menge Gerbstoff und ein originelles Etikett hatte, geiler Stoff war. Längst haben die meisten ehemaligen „Wilden“ eingesehen, dass die Weinwelt sich nicht komplett durch Natural und Orange definiert. Außerdem steht heute außer Streit, was ich an dieser Stelle im August 2020 schrieb: „Natural Wines dürfen nicht stinken!“.
Ich bezog mich da auch auf eigene Erfahrungen, denn wenngleich ich immer schon auch gute alternative Weine schätzte, sprach ich auch ganz klar aus, was sich im Einzelfall „nicht ausging“. Bei einer Verkostung mit einem Saal voller Sommeliers in Norwegen wollte mein Team beim Vorverkosten den 2014er Leithaberg von Gernot Heinrich vorsichtshalber zurückziehen. Das war gerade die Zeit, als der beliebte Mainstream-Winzer einen radikalen Kurswechsel vollzog, der mich immer an die Zeile im Lied „Der Weg“ von Herbert Grönemeyer erinnert, wo er singt: „Wir haben versucht, auf der Schussfahrt zu wenden.“ Abgesehen davon, dass Heinrich durch seinen letztlich erfolgreichen Stilwechsel hin zu einer puristischen Weinstilistik anfangs viele Kund:innen verstörte, machte ihm wie anderen auch der Jahrgang 2014 zu schaffen. Sein Leithaberg hatte einen unangenehmen Reduktionston, den auch ich für einen aufgelegten Böckser hielt. Aber ich ließ den Wein trotzdem servieren und moderierte problemlos eine anregende Diskussion mit skandinavischen Gastronomen, die dieses „Stinkerl“ nicht so schlimm fanden und generell für experimentelle Sachen offener waren als die traditionelle Kundschaft in Mitteleuropa. Zehn Jahre danach ist selbst bei diesem schwierigen Leithaberg 2014 kaum mehr etwas von der starken Reduktion zu merken.
Und Heinrichs ebenfalls anfangs schwieriger Pannobile präsentiert sich heute in Topform: elegantes Beerenbukett, straff, jahrgangsgemäß schlank, aber ausreichend Körper und Frucht für die nötige Balance, dadurch auch ein eleganter Abgang.
Inzwischen hat sich auch der Sturm um die Naturals und Orange Wines längst gelegt, zumal fehlerhafte Weine generell immer seltener werden und der Anteil dieser Stilistiken bereits geschätzte 20 Prozent am Exportumsatz beim österreichischen Wein beträgt. Problematisch wurde es aber, als renommierte Spitzenbetriebe sich unter dem Einfluss der „Wilden“ neben einer ökologischen Ethik auch eine neue stilistische Ästhetik zulegten. Die limonadigen Stahltankweine, aber auch die Barriquebomben, die Mitte der Achtzigerjahre eine Rotweinrevolution ausgelöst hatten, kamen in die Jahre. „Was uns früher geschmeckt hat, schmeckt uns heute nicht mehr“ beschrieb Manfred Tement kürzlich diesen Trend. Damit entstand ein neues Problem: Plötzlich fallen international hoch bewertete Lagenweine von Spitzenwinzer:innen reihenweise bei der Prüfnummernverkostung als „fehlerhaft“ oder „nicht herkunftstypisch“ durch, und das nicht nur bei uns in Österreich, sondern auch in Frankreich, dem Mutterland der geschützten Ursprungsbezeichnungen.
Heute müssen auch bekannte Spitzenweingüter manche ihrer Topweine bis zu sechs Mal zur Prüfung einreichen, bis sie als Qualitätswein mit Herkunftsbezeichnung akzeptiert werden. Diese Ochsentour ist unerlässlich, denn wenn ein Zieregg oder eine Achleiten den Lagennamen nicht mehr tragen darf, hat das am Markt eine enorme Tragweite. „Es kann kein guter Wein sein, wenn er nicht mindestens einmal durchgefallen ist“, heißt es daher da und dort halb scherzhaft. Jedenfalls brauchen Weine der neuen Stilistiken mehr Zeit, bis sich die anfänglichen Reduktionstöne in die Komplexität des Buketts einbauen, denn solche Weine sind nicht auf schnellen Erfolg, sondern auf Langlebigkeit ausgelegt.
Einmal sagte ein Koster vertraulich zu Rudi Pichler, nachdem sein Wein mehrmals abgelehnt worden war: „Mach‘ halt eine Kupferschönung, dann geht er eh durch.“ Worauf Rudi antwortete: „Ich mach sicher keine Kupferschönung, macht ihr lieber eine Kosterschulung!“ Angesichts dieser Problemlage plädierte Jancis Robinson beim ÖWM-Marketingtag 2018 für die europaweite Abschaffung dieser Pflichtverkostungen. Diese ist zwar nicht in Sicht, aber im österreichischen Landwirtschaftsministerium wird im Zuge der Erarbeitung des neuen Weingesetzes, das 2027 kommen soll, auch die Überprüfung der Herkunftstypizität neu geregelt. Dabei wünsche ich unseren Verantwortlichen im Landwirtschaftsministerium eine gute Hand, denn die Frage, was beim Wein herkunftstypisch ist, wird mit jedem Tag schwerer zu beantworten.
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