Spritzwein, Sekt und Prädikatswein deckt das Multitalent also schon ab. Doch was ist mit der Basisdisziplin, der trockenen Variante? Für hohen Genuss dieser Kategorie wirft man den Blick erneut ins Burgenland, und zwar zum tiefsten Punkt Österreichs:
Im Seewinkel, genauer in St. Andrä am Zicksee, gelingen Andreas Ziniel erstaunlich tiefgründige Welschrieslinge, die zwar weniger klassisches Apfelaroma zeigen, dafür sehr viel Finesse bei gleichbleibender Frische, sodass niemand mehr die typische Fruchtnote vermisst.
In Donnerskirchen auf der gegenüber liegenden Seeseite wiederum erzeugt Leopold Sommer beachtliche, kräuterwürzige Tropfen der supersaftigen Art – Weine wie ein Picknick in der Blumenwiese. Alles andere als ein reiner Sommerwein ist sein Welschriesling „Handwerk“: Hier zeigt er gekonnt, dass die Rebsorte auch ganz anders kann – nämlich gehaltvoll, tiefergehend, zitronenwürzig, mineralisch, eindringlich und durchaus komplex.
Besonders im Südburgenland finden sich viele Sanierer des Welschriesling-Rufs. Hier kennt man seine Vorzüge genau und die Dichte an Winzern mit Welsch-Vorliebe ist groß. Thomas Straka ist einer davon und kann in seinem Weingut aus dem Vollen schöpfen. Sein Welschriesling-Weingarten ist über 80 Jahre alt. Auf Schiefer und Magmagestein zeigt schon sein einfacher Welschriesling Rechnitz ernsthafte, mineralische Noten – ein strahlender Wein mit Grapefruit-Frische und Würze am Gaumen. Die Einzellagen ergeben rare und komplexe Weine, die man gekostet haben muss, um die Rebsorte zu verstehen.
Doch natürlich darf die Südsteiermark als Welschriesling-Bastion hier nicht unerwähnt bleiben, denn auch hier engagieren sich namhafte Weingüter für die Aufwertung der Sorte. Katharina Tinnacher beispielsweise pflegt den Weingarten in einer der besten Lagen des Gutes, den ihr Großvater Franz Lackner wohlweislich schon vor 35 Jahren bepflanzt hat, mit voller Überzeugung. Die Trauben werden mit Stielen gepresst und auf der Vollhefe in einem 1.000-Liter-Fass gereift. Das hochwertige Terroir und die spezielle Vinifikation führen zu einem anspruchsvollen, burgundisch anmutenden Weißwein, der sich salzig-mineralisch und mit einem Hauch Mandelblüte präsentiert.
Im gleichen Spirit positioniert Armin Tement seinen Top-Welschriesling von der Riede Ottenberg Veitlhansl, die mit ihrer speziellen Bodenstruktur, einem Gemisch aus Ton- und Kalkgestein, der Rebsorte äußerst guttut. Der Saft wird nach spontaner Gärung 20 Monate auf der Feinhefe in 500-Liter-Fässern ausgebaut. Das Ergebnis ist ein unglaublich ausdrucksstarker Wein mit feiner Kräuterwiesenduftigkeit, puristisch und elegant.
Nach all den oben genannten Argumenten sei schlussendlich noch erwähnt: Die Beliebtheit vieler Rebsorten beschreibt eine Sinuskurve. Man denke nur an die USA in den frühen 1990er Jahren, wo der Slogan „ABC – Anything But Chardonnay“ postuliert wurde. Im Film „Sideways“ schreit Schauspieler Paul Giamatti in der Rolle des Miles Raymond empört: „Wenn irgendjemand Merlot bestellt, dann geh ich!“ So manche Rebsorte hatte ihre Tiefen und fand anschließend zu neuen Höhen, denn ein Ruf wird selten dem wahren Kern der Dinge gerecht. Daher besser selbst zum Glas greifen und die Renaissance des Welschrieslings in seiner Vielfalt am eigenen Gaumen erfahren.