Lieber Michael, mit dem Bau des neuen Fasskellers, der mindestens noch das nächste halbe Jahrtausend überdauern wird, schreibst Du ein neues Kapitel im Geschichtsbuch von Schloss Gobelsburg. Da Du das Weingut gepachtet hast, befindet es sich nicht in Deinem Besitz. Was treibt Dich dennoch an, diese Entwicklungsschritte zu setzen?
Michael Moosbrugger: Das beginnt bei meinem Selbstverständnis als Winzer dieses Weinguts, das auf eine 850-jährige Geschichte zurückblickt. Gobelsburg reflektiert und repräsentiert die österreichische Weinkultur auf internationaler Ebene. Als Verantwortlicher für ein solches Haus muss man auch die Denkräume vergrößern. In einem klassischen Familienbetrieb sind die Zeithorizonte in der Regel auf einer Generationenebene angesiedelt. Doch in einem Weingut wie Gobelsburg geht es weniger um die Generationenfrage, sondern vielmehr darum, wie und in welchem Kontext wir die österreichische Weinkultur sehen, auch international.
Bei der Planung des Projektes haben wir viel diskutiert, wie eine Kellererweiterung für Gobelsburg aussehen kann. Man darf nicht vergessen, dass unsere ältesten Kellerteile über tausend Jahre alt sind, über Jahrhunderte wurden Erweiterungen und Vergrößerungen gemacht. Wenn wir heute eine solche Erweiterung bauen, muss es natürlich in den Gesamtkontext passen, und da waren wir mit den zisterziensischen Leitregeln für Architektur am besten beraten. Bei all dem geht es nicht um meine Selbstverwirklichung, sondern darum, dass am Ende des Tages die Mönche, die ja auch die Eigentümer sind, sich wohlfühlen und alles in ihren Glaubenskosmos eingegliedert ist.
Du hast den ersten Grünen Veltliner Tradition im Jahr 2001 gekeltert, im Jahr 2003 folgte dann der erste Riesling Tradition. Wie bist Du zu der Idee dieser beiden Traditionen gekommen und was hat Dich nun bewogen, diese Rebsorten und Jahrgangsweine zu einer Cuvée ohne Sorten- und Jahrgangsangaben zu vermählen?
Michael Moosbrugger: Der Beginn der Tradition-Weine entstand durch meine Auseinandersetzung mit der Geschichte Gobelsburgs sowie der Weinbereitung im Speziellen. Die Frage, wie Wein mit möglichst wenigen Hilfsmitteln gemacht werden kann, war 2001 der Grund, die ersten Schritte für die Tradition-Linie zu setzen, die den Schwerpunkt auf die Weinbereitung vor der Industriellen Revolution setzt. Die Zeitspanne zwischen 1800 und 1850 ist eine interessante, da sie ein empirisches Wissen von 2.000 Jahren Weingeschichte repräsentiert und zugleich eine Periode ist, die noch nicht durch die Industrialisierung geprägt wurde. Der Übergang von Riesling und Veltliner-Tradition aufs jetzige Konzept war bedingt durch die weitere Beschäftigung mit der Thematik. Früher war es üblich, Weine aus unterschiedlichen Jahrgängen und diversen Rebsorten miteinander zu cuvetieren. So haben wir uns entschieden, für unsere Jubiläumscuvée Weine der letzten 50 Jahre miteinander zu vermählen.
Bereits mit Deinem Start im Jahr 1996 hast Du einen großen Schwerpunkt auf Sekt gelegt. Als einer der wenigen Winzer in der Sekthochburg Langenlois setzt Du dabei aber auf autochthone Rebsorten wie Grüner Veltliner, Riesling und Zweigelt für Rosé. Wieso?
Michael Moosbrugger: Es gibt gerade am Anfang unterschiedliche Ansätze und Möglichkeiten, sich zu entwickeln. In vielen Fällen orientiert man sich, wenn ein Produkt in einem Gebiet nicht unmittelbar beheimatet ist, an Vorbildern. Manche Weingüter, auch hier in Langenlois, verfolgen in ihrer Grundausrichtung einen französischen Ansatz, haben in und von Frankreich gelernt und sich so die nötigen Werkzeuge angeeignet, zu denen auch die Rebsorten zählen. Gobelsburg ist allerdings ein Weingut, das fest in der Geschichte der Gegend verankert ist. Heimische Rebsorten zu verwenden ist für uns natürlich auch ein Abgrenzungsfaktor zu anderen Betrieben. Vor allem aber ist es unsere Verantwortung, dass, wenn wir einen Schaumwein machen, er auf der einen Seite sehr hohen Ansprüchen gerecht wird, auf der anderen Seite aber immer noch ein Abbild des Gebietes ist.
Zum Schluss die etwas andere Gretchenfrage: „Qui bon vin boit, Dieu voit“ – wer guten Wein trinkt, erkennt Gott. Welcher Deiner Weine hat Dich Gott am nächsten gebracht?
Michael Moosbrugger: Für mich ist ein großartiger Wein einer, bei dem ich aufhöre, zu analysieren. Bei uns ist es ja eine Art Berufskrankheit, sich zu fragen: Wonach riecht er, welches Holz wurde verwendet? Wie ist die Säure, der Restzucker? Es gibt aber Weine, bei denen man ins Glas hineinriecht und dieser Mechanismus nicht mehr abläuft. Denn das ist perfekter Wein in Harmonie. Das passiert nicht sehr oft, dafür vergisst man diese Weine auch nicht so schnell. Der erste, bei dem ich dieses Gefühl hatte, war ein Hermitage ’86, der heute noch in meinem Büro steht. Mein Bruder absolvierte damals ein Praktikum bei Pic in Valence, Jean-Louis Chave war damals Haus- und Hofwinzer. Der alte Chave hat meinen Bruder zu einem Weingutsbesuch mitgenommen, von dem er mir eine Flasche mitgebracht hat. Damals war ich Student und habe oft und gern gekocht, war weintechnisch aber eher auf der Supermarktebene unterwegs. Dieser Wein hat mir gezeigt, dass es abseits dieser Welt etwas gibt, das unvergleichbar ist und so viel größer.