Spaniens kühler Norden

Autorin: Daniela Dejnega
Gut und günstig? Spanische Weine können viel mehr als das. Die wohl interessanteste Region ist derzeit Galicien im Nordwesten, wo die Gebiete Rías Baixas, Ribeira Sacra und Monterrei mit frischen „Vinos atlanticos“ auffallen. Auch in den bekannten Gebieten La Rioja und Navarra tut sich so einiges.

- Rías Baixas DO
- Ribeiro DO
- Ribeira Sacra DO
- Monterrei DO
- Valdeorras DO
- Bierzo DO
- Tierra de León DO
- Arribes DO
- Tierra del Vino de Zamora DO
- Toro DO
- Rueda DO
- Cigales DO
- Arlanza DO
- Ribera del Duero DO
- Rioja DOCa
- Navarra DO
Albariño, ganz dem Zeitgeist entsprechend
Noch vor 20 Jahren war Rías Baixas, eine Denominación de Origen (DO) im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel, weitgehend unbekannt. Rías Baixas liegt in Galicien, direkt nördlich von Portugal, und steht heute für erfrischende, saftige Weißweine von der Sorte Albariño. Mit der steigenden Popularität dieser Weine ist auch die Rebfläche im vergangenen Jahrzehnt beträchtlich gewachsen – auf etwa 4.000 Hektar. „Rías Baixas“ bedeutet „untere Buchten“, was sich auf die vier großen, tief ins Land reichenden Meeresbuchten bezieht, welche die spektakuläre Landschaft gestalten.
Ihre felsige Küste ist von Granit geprägt. Dem Klima drückt der kalte Atlantische Ozean seinen Stempel auf. Er bringt jede Menge feuchte Luftmassen und Niederschläge von bis zu 1.300 Millimeter pro Jahr – deutlich mehr als in der regenreichen Steiermark. Rías Baixas besitzt somit eine üppig grüne Vegetation und der Weinbau ist vor allem angesichts der vorteilhaften Bedingungen für Pilzkrankheiten eine Herausforderung. Die Sorte Albariño nimmt in Rías Baixas fast 95 Prozent der Fläche ein und bringt aromatische, frische und mineralische Weine hervor, ganz dem Zeitgeist entsprechend. Der Vergleich mit Grünem Veltliner oder gar Riesling ist mitunter nicht verkehrt.
Nicht mit Albariño verwechseln sollte man die Sorte Albarín Blanco, die aus Asturien am Nordrand von Spanien stammt. Die autochthone Sorte ist selten geworden, aber in der DO Tierra de León, die sich in der an Galicien grenzenden Region Kastilien und León befindet, beschäftigt sich der bekannte Önologe Raúl Pérez unter anderem mit Albarín Blanco. Pérez arbeitet für die Bodegas Margón und ist einer der ersten Verfechter von Herkunft und Terroir in Spanien. Margón bewirtschaftet ausschließlich Reben, die mindestens 90 Jahre alt sind. Der in französischer Eiche ausgebaute Weißwein Pricum Albarín Barrica ist salzig und intensiv im Geschmack.
Rías Baixas & Tierra de León

Spanische Weißweinwunder
Eines der ältesten Weingüter der Rías Baixas ist die Bodega Pazo de San Mauro in Salvaterra de Miño, gelegen am Ufer des Flusses Miño, der die Grenze zu Portugal bildet. Hier, im Gebiet von Condado de Tea im Landesinneren, ist es eine Spur wärmer, da der atlantische Einfluss abnimmt. Pazo de San Mauro wurde 1591 erbaut, heute ist die Bodega in Besitz von Marqués de Vargas. Dieser bekannten Familie gehören auch ein Weingut in La Rioja und eines in Ribera del Duero. Ihre Lagen in Rías Baixas umfassen 30 Hektar Reben auf terrassierten Hängen. Sie bilden ein natürliches Amphitheater mit südlicher Ausrichtung, das von Granit- und Schieferböden geprägt ist. Animierende Frische und Leichtfüßigkeit zeichnen den duftigen Albariño von Pazo de San Mauro aus.
Als Urheimat des Albariño gilt Val do Salnès im Nordwesten von Rías Baixas. Hier wächst mehr als die Hälfte aller Reben der DO, und hier gründete Diego Zárate y Murga 1707 die Bodegas Zárate. Zárate gilt als Pionier in der Herstellung des Albariño-Weins, wie er heute bekannt ist. Seit dem Jahr 2000 ist Eulogio Pomares, Weinmacher in fünfter Generation, verantwortlich. Mit dem Ansatz, vor allem die Terroirunterschiede seiner Parzellen herauszuarbeiten, zählt er zur spanischen Avantgarde. Seine Weinstöcke auf insgesamt 6,5 Hektar sind zum Teil an die 100 Jahre alt und nicht veredelt. Solch wurzelechte Reben liefern auch die Trauben für Zárates Albariño von der Einzellage Balado. Dieser feine Weißwein überzeugt mit enormer Frische und Präzision, sein Reifepotenzial beträgt locker fünf bis zehn Jahre.
Ribeira Sacra & Monterrei

Erstrahlt mit Mencía
Lange im Dornröschenschlaf lag Ribeira Sacra, eine DO etwas weiter östlich in Galicien. Sie bietet riesiges Potenzial und ausnahmsweise steht hier der Rotwein im Fokus. In den Weinbergen auf den steilen, steinigen Hängen mit winzigen Terrassen ist ausschließlich Handarbeit möglich. Mencía heißt die Parade-Rebsorte, die herrlich lebendige Rotweine mit pikanter Mineralität, voller Rasse und Biss hervorbringen kann. Als absoluter Qualitätspionier von Ribeira Sacra gilt Guímaro – zu Deutsch „Rebell“ – ein Weingut, das zu den Aushängeschildern Galiciens zählt. Der feine Rote Camiño Real von Guímaro kommt von über 50 Jahre alten Weingärten, die zu etwa 80 Prozent mit Mencía bepflanzt sind. Den Rest bestreiten weitere autochthone Sorten. Camiño Real wird mit einem hohen Ganztraubenanteil in großen Holzbottichen spontan vergoren und auch für einige Monate darin ausgebaut. Dann wird ein Teil in kleinere Fässer umgezogen. Dunkle tiefe Kirschfrucht, Steinigkeit und Würze kennzeichnen diesen Rotwein. Der Winzer Pedro Rodríguez hat das Ziel, die Alkoholwerte der Weine zu senken, um bei physiologischer Vollreife das maximale Terroir aus den Trauben herauszukitzeln.
Auch vom Süden Galiciens gibt es Spannendes zu berichten – und zu probieren. In der kleinen DO Monterrei regiert zu 70 Prozent der Weißwein, autochthone Sorten heißen zum Beispiel Doña Blanca, Godello und Treixadura. Die Winzer vertrauen immer mehr auf Godello, die im Allgemeinen etwas schmelziger und weicher ist als Albariño, aber doch geprägt von Mineralität, Apfel- und Limettenaromen. Sehr feinen Godello keltert das Weingut Pazo das Tapias, welches die Familie Mendez 2006 gegründet hat. Zehn Hektar Weingärten mit Godello und Mencía befinden sich hier etwa 450 Meter über dem Meeresspiegel. Die Böden sind fruchtbarer und tiefgründiger als in anderen Gebieten.
La Rioja

La Rioja in Bewegung
Das renommierte Gebiet La Rioja am Fluss Ebro zählt ebenfalls zum spanischen Norden. Traditionell definierte die Denominación de Origen Calificada (DOCa) ihre Qualitätsstufen Crianza, Reserva und Gran Reserva ausschließlich über die Dauer der Fasslagerung. Erst seit 2019 ticken die Uhren ein wenig anders, obwohl die Reifung im Barrique (meist amerikanische Eiche) weiterhin als entscheidendes Qualitätskriterium gilt. Immerhin hat der Consejo Regulador Rioja diese in Zeiten eines weltweit auf Terroir fokussierten Weinbaus anachronistisch anmutenden Regeln überarbeitet und diverse neue Begriffe auf dem Etikett zugelassen. Genaue Vorschriften gibt es nun zum Beispiel in Bezug auf „Viñas viejas“ (Alte Reben), „Viñedos de altura“ (Höhenlage) oder „Viñedos singulares“ für Lagenweine. Letzteres gibt den Weingütern die Möglichkeit, engere Herkunftsbereiche – Gemeinden, aber auch Einzellagen – auf das Etikett zu schreiben.
Eines der Spitzenweingüter der Rioja ist Conde Valdemar. Der Traditionsbetrieb fiel immer wieder durch Pionierleistungen auf. So pflanzte die dritte Generation am Weingut 1975 die allerersten Reben der Sorte Viura (Macabeo) in Alto Cantabria. Aus diesen Viura-Trauben bereitete Conde Valdemar 1988 den ersten spanischen Weißwein, der sowohl die Gärung als auch den Ausbau im Barrique absolvierte. Der weiße Rioja von der Finca Alto Cantabria besteht auch heute aus 100 Prozent Viura, ist als „Viñedo Singular“ klassifiziert und beschert mit jedem Jahrgang ein großes Trinkerlebnis mit vielschichtiger Aromatik. Die Rioja Reserva der Finca Valpiedra, ein Achtzig-Hektar-Weingut in herrlicher Lage an einer Flussschlinge des Ebro, ist ein fabelhafter Vertreter der Reserva-Kategorie. Der fruchtintensive und recht früh zugängliche Rotwein von besten Tempranillo-Lagen reift 22 Monate in französischen Barriques, was ihm Eleganz und eine feine Holzwürze verleiht.
Navarra

Neue Finesse
Unmittelbar östlich von La Rioja befindet sich die DO Navarra. Der Sorte Tempranillo macht hier die Garnacha ernsthafte Konkurrenz. Garnacha dominierte in Navarra vor 50 Jahren ganz klar, verlor dann aber zugunsten internationaler Sorten und Tempranillo an Bedeutung. Heute nimmt sie immerhin 25 Prozent der Rebfläche ein, und viele Weingüter besinnen sich zurück auf die angestammte Sorte und ihr Qualitätspotenzial.
Im Idealfall zeigt Garnacha aus Navarra viel Herkunftscharakter – wie bei Viña Zorzal. Das Weingut wurde erst 1989 von Antonio Sanz gegründet, seit 2007 sind seine drei Söhne am Werk und sorgen für die Wiederbelebung alter Garnacha-Lagen in traditioneller Buscherziehung. An die steinigen, kargen Böden und das kontinentale Klima mit Hitze im Sommer, eisiger Kälte im Winter und Trockenheit sind die Buschreben bestens angepasst. Viña Zorzals sortenreiner Garnacha von der 2,4 Hektar großen Einzellage Malayeto wächst in 520 Metern Seehöhe. Frischer Nordwind sorgt hier für Abkühlung. Malayeto kam als erster in der Serie der finessenreichen Terroir-Weine des Weinguts auf den Markt. Ausgebaut in gebrauchten französischen 300-Literfässern ist er geprägt von klarer Frucht und erdiger Würze, aber auch von Pikanz, viel Frische und Mineralität. So schmeckt der spanische Norden.