Welcher (Boden-)Typ sind Sie?
Von kühl und intellektuell bis vulkanisch: die ultimative Underground-Übersicht

Autor: Gerhard Scholz
Wer sich auf eine Diskussion über den Einfluss von Bodentypen einlässt, hat eigentlich schon verloren. Der aktuelle Stand der Wissenschaft lässt sich nämlich grob mit zwei Aussagen zusammenfassen: Erstens hat der Boden großen Einfluss auf den Wein und zweitens weiß niemand genau welchen oder warum. Gut, ganz so schlimm ist es nicht. Was wir wissen, ist, dass sich wasserdurchlässige, eher karge Böden besser für den Weinbau eignen als feuchte, fruchtbare Böden – zumindest dann, wenn uns Qualität wichtiger ist als Quantität. Die großen wässrigen Trauben schmecken eben bei weitem nicht so intensiv und spannend wie die kleinen konzentrierten.
Weine nach Bodentyp einzuteilen ist so gesehen ein bisschen wie Persönlichkeitstests ausfüllen: prinzipiell wissenschaftlich fundiert, meistens verallgemeinernd und im Idealfall fördernd für die Selbsterkenntnis. Wenn Sie sich also mit einem der folgenden Bodentypen identifizieren können, probieren Sie doch einfach den Wein, der darauf wächst – und denken Sie beim Genießen darüber nach, ob Sie sich in ihm wiedererkennen.

Probierpaket Bodentypen
Tauchen Sie in das Thema Bodentypen ein! Keine Angst, Sie müssen nicht an Steinen lecken, aber manchmal kommt bei diesen Weinen dennoch das Gefühl auf.
Schließlich spiegeln alle sechs Weine ihre Herkunft auf spezifische Art wider – das gilt für die beiden Grünen Veltliner aus dem Traisental ebenso wie für die beiden Morillons aus der Steiermark und die beiden Blaufränkisch aus dem Burgenland. Schaffen Sie es, die Weine blind einem Bodentyp zuzuordnen?
Tatsächlich ist der Boden auch nur einer von vielen Faktoren beim Weinbau. Auch das Klima spielt eine große Rolle: Wie viele Sonnenstunden genießt der Weingarten, wie viel Niederschlag, wie exponiert ist er gegenüber trocknenden und kühlenden Luftströmen? Wie hoch liegt der Weingarten?
Außerdem sind natürlich die Rebsorte und der jeweilige Klon von entscheidender Bedeutung. Und nicht zuletzt die Eingriffe der Winzer:innen im Weingarten und im Keller in Form von Rebschnitt, Laubarbeit und Ausbau in Fässern, Stahltanks, Betoneiern oder Amphoren. Trotzdem bleibt die Lage der bestimmende Faktor und entscheidet letztendlich darüber, ob man für eine Flasche eine ein- oder fünfstellige Summe berappen muss.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Weinreben nicht in der Lage sind, Mineralien aus dem Gestein zu lösen und dass diese wenn, dann nur indirekte Auswirkungen auf den Geschmack des Weins haben, beispielsweise über den pH-Wert des Bodens. Warum erkennen dann Verkostungsprofis blind, welcher von zwei Rieslingen auf Schiefer gewachsen ist und welcher auf Kalk, und wie gelingt es ihnen, die genaue Herkunft eines großen Weins zu bestimmen? Wieso hat ein Wein eine „Kalknase“, der andere „Schieferwürze“ und der dritte einen „salzig mineralischen Abgang“? Und warum haben wir Europäer:innen unser ganzes Qualitätssystem nach Lage und Herkunft ausgerichtet?

Die kurze Antwort: Der Boden hat eben doch einen Einfluss auf den Wein, aber bei weitem nicht exklusiv und auch nicht direkt. Die Qualität und der Charakter des Weins, die Frucht, die Säuren und Tannine, die Struktur und die Aromatik sind geprägt von der Wasserdurchlässigkeit, der Fruchtbarkeit und der Temperatur der Böden. Unsere Weinsprache dagegen ist geprägt von Metaphern und Vergleichen und wenn der Wein nach Zwetschken und Kirschen duftet, wendet hoffentlich auch niemand ein, dass sich keine Spuren der betreffenden Früchte im Labor nachweisen lassen.
Mergel, Sand, Kalk & Kreide
Sedimente
Der in Österreich am weitesten verbreitete Bodentyp ist Sediment. Dazu gehören alle mineralischen und organischen Materialien, die sich im Laufe der Zeit in Form von Sand, Kalk, Kreide, Ton, Mergel, Löss und Lehm abgelagert haben.
Besonders in kühleren Gebieten werden Kalk und Kreide generell mit hoher Weinqualität in Verbindung gebracht. Besonders gilt das für Chardonnay und Pinot Noir, man denke an die kreidigen Böden der Champagne, die Kalkmergelböden der Côte d’Or in Burgund und den berühmten Leithakalk nördlich des Neusiedlersees. Kalk und Kreide sorgen für basische Böden, was tendenziell eine höhere Säure im Wein begünstigt. Am deutlichsten sind allerdings die Auswirkungen auf die Drainage: Das Wasser kann schnell und konsequent abfließen, sodass es selbst in lehmigeren Bodenschichten nicht zu Stauwasser kommt. Kreide ist übrigens nichts anderes als feinster Kalk. Mergel – in der Steiermark Opok genannt, ist eine Mischung aus Kalk und Ton.

Angela Mergel ist kühl, kalkulierend und intellektuell und wird von außen manchmal als arrogant wahrgenommen. Meistens ist sie aber einfach nur ein bisschen angespannt und braucht vielleicht noch ein bisschen Frischluft.
Ton, Löss & Lehm
Sedimente
Am anderen Ende des Sedimentspektrums befinden sich Ton und Lehm. Diese Böden sind exzellente Wasserspeicher – wer hier große Weine produzieren will, muss rigorose Ertragsreduktion betreiben. Die besten Weine von Ton- und Lehmböden sind vollmundig, kräftig und tief. Hier triumphiert in der Regel die Frucht über die Säure, die Wucht über die Verspieltheit, die Dichte über das Detail. Auf Ton- und Lehmböden trifft man am rechten Ufer von Bordeaux, in der Maremma, im Rhône-Tal und im Mittelburgenland, also überall, wo man monumentale Weine mit großem Lagerpotenzial produziert. Löss ist eine Mischung aus Schluff und Lehm, also etwas grober und trockener und meistens noch mit Kalk durchsetzt.

Lehm Neeson ist durch und durch ein Hedonist. Er lacht gern und nimmt sich Zeit für den Genuss. Er liebt schweres Essen und schwere Weine und ist gern in Gesellschaft anderer Menschen.
Die Metamorphen
Schiefer, Gneis und Mamor
Für metamorphes Gestein reicht einfache Ablagerung nicht aus, hier muss noch extremer Druck oder hohe Temperatur dazukommen. Schiefer, Gneis, Marmor und Co. bringen den enormen Vorteil mit sich, dass sie fantastische Hitzespeicher sind und selbst nach Sonnenuntergang noch lang Wärme abstrahlen. Deshalb liebt man den Schiefer an der Mosel und am Rhein sowie in den kühlen Höhenlagen der Südsteiermark ebenso wie den Gneis in der Wachau. Auch die Farbe spielt eine Rolle, da dunkles Gestein die Hitze noch besser speichert als helles. Die brüchige Struktur des Schiefers ermöglicht es alten Weinreben oft, ihre Wurzeln durch seine Risse zu zwängen. In der Regel geben diese Reben großartige Weine ab. Schiefer und Gneis stehen für Würze, Rasse und Eleganz.

Claudia Schiefer strahlt natürliche Eleganz und Schönheit aus, ist dabei aber bodenständig und sensibel. Extrovertiert, aber unaufdringlich, zieht ihre besondere Aura unweigerlich alle in ihren Bann.
Vulkanische Böden
Basalt & Tuff
Vulkanerde ist für Weingärten außergewöhnlich fruchtbar und reich an Mineralstoffen, aber überraschenderweise tut das der Qualität der Weine keinen Abbruch. Im Gegenteil: Weine von Basaltböden sind meistens knackig frisch, mineralisch und unheimlich präzise – von den hochwertigen Soave-Weinen, über Etna Rosso und Bianco, Tokaj und Baden bis hin zu den anregenden Weißweinen aus dem Vulkanland Steiermark.

Vulkeanu Reeves hat einen explosiven Charakter. Er steckt voller Ideen und Energie. Manchmal fühlen sich Leute anfangs von ihm überfordert, aber auf Dauer kann sich niemand seinem kreativen Charme entziehen.
Tja, jetzt müssen Sie sich entscheiden: Identifizieren Sie sich mit der intellektuellen Angela Mergel, dem kräftigen Lehm Neeson, der Naturschönheit Claudia Schiefer oder dem explosiven Vulkeanu Reeves? Oder vielleicht mit keinem der Genannten? Auch dann haben wir gute Nachrichten – die Mehrheit aller Böden sind nämlich Mischtypen. Am besten ist es also, Sie probieren sich einfach durch.
Unser Tipp: Auf riedenkarten.at kann man die Bodenzusammensetzung aller eingetragenen österreichischen Weinherkünfte nachschlagen – gleich ausprobieren!